Im Jahr 2040 wird fast ein Viertel der Bevölkerung in Deutschland über 65 Jahre alt sein. Schon heute müssen im Gesundheitssystem die Weichen dafür gestellt werden. „Die Apotheke der Zukunft“ lautet daher das Thema der Podiumsdiskussion zum Auftakt des Bayerischen Apothekertages, der von 3. bis 5. Juni in Straubing stattfindet.
„Der demografische Wandel wird die Arbeit in Apotheken künftig prägen“, sagt Dr. Hans-Peter Hubmann, Vorsitzender des Bayerischen Apothekerverbandes. „Eine älter werdende Gesellschaft wird voraussichtlich auch mehr Arzneimittel brauchen. Deswegen kommt Apothekerinnen und Apothekern eine immer wichtigere Rolle im Gesundheitswesen zu“, prognostiziert der Verbandsvorsitzende.
Nimmt ein Patient dauerhaft drei oder mehr Arzneimittel ein, spricht man von Polymedikation. Das betrifft schon heute rund 23 Prozent der Bundesbürger, wie eine forsa-Umfrage ergeben hat. Zu verordneten Arzneimitteln kommen oftmals noch rezeptfreie Medikamente hinzu. Dazu sagt Thomas Benkert, Präsident der Bayerischen Landesapothekerkammer: „Sage und schreibe 88 Prozent der Befragten mit Polymedikation haben eine Stammapotheke. Nur in der Stammapotheke sind alle Medikamente eines Patienten bekannt, egal welcher Arzt sie verordnet hat, ob sie rezeptpflichtig sind oder aus der Selbstmedikation stammen. Dieses Potenzial muss viel stärker genutzt werden“.
Kompetenz nutzen, Risiken vermeiden
Die regelmäßige Einnahme mehrerer Arzneimittel ist für viele Patienten unvermeidbar, birgt aber erhebliche Risiken. Laut Benkert kommt es in Deutschland jedes Jahr zu mehreren hunderttausend Krankenhauseinweisungen wegen vermeidbarer Medikationsfehler und damit zu erheblichen Zusatzkosten für das Gesundheitssystem. Durch Auswirkungen der Polymedikation würden deutlich mehr Menschen als im Straßenverkehr sterben. Benkert: "Diese Risiken kann man reduzieren, wenn man die Gesamtmedikation des Patienten konsequent erfasst, pharmazeutisch analysiert und in einen mit dem Arzt abgestimmten Medikationsplan überführt. Aber nur wenn man es richtig macht. Dazu muss man die Apotheker und ihr Fachwissen einbeziehen. Neun von zehn Medikationslisten, die alleine vom Arzt ausgestellt werden, stimmen nicht mit dem überein, was die Patienten tatsächlich einnehmen. Das wissen wir aus einer aktuellen Studie."
Kritik am E-Health-Gesetz
Ab Oktober sollen Patienten mit Polymedikation gemäß dem E-Health-Gesetz einen Rechtsanspruch auf eine Medikationsliste haben. Verbandsvorsitzender Dr. Hans-Peter Hubmann begrüßt zwar die Absicht der Bundesregierung, gleichzeitig kritisiert er scharf die Defizite des Gesetzes in seiner aktuellen Form: "Es ist ein Unding, dass die Erstellung der Medikationsliste ohne konsequente Einbindung der Apotheker stattfinden soll, obwohl jedes einzelne Medikament in Deutschland durch ihre Hände geht. Die Arzneimittelversorgung ist die gesetzliche Aufgabe der Apothekerschaft. Jeder Patient mit Polymedikation sollte außerdem selbst entscheiden dürfen, ob sein Arzt oder sein Apotheker einen individuellen Medikationsplan für ihn auf den Weg bringen soll." Inkonsequent sei auch, dass das Gesetz nur die Erstellung der Medikationsliste, nicht aber die pharmazeutische Prüfung der Gesamtmedikation auf Risiken beinhalte. "Erst dadurch wird aber die Liste zu einem echten Medikationsplan, der dem Patienten helfen, Gefahren reduzieren und Therapieerfolge verbessern kann", so Hubmann.