Verärgerung über die Reformpläne des Bundesgesundheitsministeriums zur Apothekenstruktur, Herausforderungen bei der Nachwuchsgewinnung und ein Vorschlag für eine Neuordnung der Einteilung zur Dienstbereitschaft – dies waren die großen Themen der Delegiertenversammlung der Bayerischen Landesapothekerkammer am 8. November.
Neueinteilung der Dienstbereitschaft
Wie zu erwarten war, sorgte der Vorschlag für eine Neueinteilung der Dienstbereitschaft der Apotheken(Notdienst) für eine ausgiebige Diskussion. Durchaus nachvollziehbar bei einem Anliegen, das den Kolleginnen und Kollegen schon seit Jahren unter den Nägeln brennt. Die Delegierten hatten die Kammer aufgefordert, sich nach einer Lösung umzuschauen, die die Apotheken entlastet. Denn in Zusammenhang mit der stetig steigenden Zahl an Apothekenschließungen, sind keine Spielräume für die Aufrechterhaltung von Turni mehr vorhanden, was zwangsläufig zu Turnusreduktionen führt.
Im Vorfeld hatte die Kammer bereits mit der Firma sberg it-systeme GmbH Kontakt bezüglich eines digitalen Notdienstverplanungskonzepts aufgenommen. Dieses Konzept wurde von Christian Dethloff (sberg it-systeme GmbH) den Delegierten ausführlich vorgestellt. Statt einer turnusmäßigen Einteilung der Dienstbereitschaft fußt das neue System auf einer algorithmenbasierten Planung. Dies bedeutet einen Wechsel von der bisherigen rhythmischen zu einer arrhythmischen Einteilung und somit zum Verzicht auf Notdienstkreise bzw. Notdienstgruppen. Das neue Konzept basiert auf der Geokodierung aller Apothekenstandorte und dem Aufbau einer Entfernungsmatrix. Das bedeutet auch eine gravierende Umstellung für die Apothekerinnen und Apotheker, die bisher an die regelmäßigen Abstände ihrer Notdienste gewöhnt sind. Mit dem neuen System wird sich dies grundlegend ändern. Im Gesamtergebnis soll die Dienstbereitschaft jedoch gerechter eingeteilt werden, was die absolute Anzahl und die Verteilung der Notdienste auf Wochentage und Sonn- und Feiertage betrifft. Dazu prognostiziert Dethloff basierend auf Erfahrungswerten aus dem Kammerbezirk Rheinland-Pfalz, dass sich die Anzahl der abzuleistenden Notdienste für die meisten Apotheken spürbar verringern könnte. Auf der anderen Seite kann es jedoch auch vorkommen, dass einige Apotheken mehr Notdienste als bisher übernehmen müssen. Dies müsse den Delegierten bei ihrer Entscheidung bewusst sein.
Angesichts weiterer zu erwartender Apothekenschließungen und des Personalmangels wird bei der Einteilung der Dienstbereitschaft jedoch dringend nach neuen Lösungsansätzen gesucht. Vor diesem Hintergrund beschloss die Delegiertenversammlung nach ausführlicher Diskussion der Vor- und Nachteile, das Konzept der Firma sberg it-Systeme einer intelligenten Steuerung der Dienstbereitschaft der Apotheken weiter zu verfolgen und zum 1. Januar 2025 umzusetzen. Im kommenden Jahr soll bereits die Pilotierung starten. Nachdem Hessen bereits 2024 mit diesem System starten wird und Baden-Württemberg auch zum 1. Januar 2025 das neue System einführen will, sind weitere Synergien vorstellbar. Denn dadurch wird es möglich, die Dienstbereitschaft auch über die Landesgrenzen hinaus noch besser zu koordinieren.
Zerstörung des bewährten Apothekennetzes durch Scheinapotheken
Thomas Benkert, Präsident der Bayerischen Landesapothekerkammer ging anschließend auf die aktuelle Gesundheitspolitik ein. Nachdem im Rahmen des Deutschen Apothekertages die perfiden Pläne des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) bekannt geworden waren, muss jetzt seitens der Apothekerschaft dringend gegengesteuert werden. Die sogenannten „Apotheken light“ werden die Patientenversorgung insbesondere in strukturschwachen Regionen definitiv nicht verbessern. Im Vorfeld des Protesttages in Norddeutschland am 8. November hatte das BMG weitere Details seiner Apothekenreform veröffentlicht, in denen es heißt: Flexibilisierung von Herstellungs- und Prüfmöglichkeiten im Filialverbund, also Labor und Rezeptur nur noch an einem Standort, Gestattung neuer Vertretungsmöglichkeiten für PTA und Flexibilisierung der Öffnungszeiten von Apotheken, sprich verkürzte Öffnungszeiten. „Die geplanten „Scheinapotheken“ stehen in einem klaren Widerspruch zur wohnortnahen Arzneimittelversorgung der Bevölkerung. Die geplante Reform führt direkt in eine Entwertung und Zerstörung des Apothekennetzes“, bringt es Benkert auf den Punkt. Das BMG erhofft sich dadurch Einsparungen von mindestens neun Millionen Euro. Auf Kosten der Patientinnen und Patienten – da ist sich die Apothekerschaft einig. „Ist das bewährte System erst einmal kaputtgespart, lässt sich das Rad nicht zurückdrehen und die vollausgestattete wohnortnahe Vor-Ort-Apotheke geht unwiederbringlich verloren“, so Benkert weiter.
Im aktuell laufenden Protestmonat November macht der Berufsstand mit zentralen Kundgebungen und Protestaktionen eindringlich auf die Gefährdung der Arzneimittelversorgung durch diese Pläne aufmerksam. Am 22. November findet der gemeinsame Protesttag in Süddeutschland mit einer Kundgebung in Stuttgart statt. BLAK-Präsident Benkert und der 1. Vorsitzende des Bayerischen Apothekerverbandes Dr. Hans-Peter Hubmann riefen zur Geschlossenheit auf.
Apotheke – great place to work
Wie überzeugt man den Nachwuchs, dass die Apotheke vor Ort ein „great place to work“ ist? Diese Frage hat sich nicht nur die oberste Bundesebene, die ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände, gestellt, sondern auch die Mitgliedsorganisationen in den einzelnen Bundesländern. Auch wenn eine große Kampagne von der ABDA zur Nachwuchsgewinnung geplant ist und erste Schritte mit dem Webseiten-Relaunch von www.apotheken-karriere.de und der virtuellen Apotheke inzwischen umgesetzt sind, geht es nicht ohne das Engagement der einzelnen Apotheken vor Ort in den Regionen. Um dieses Engagement noch weiter zu unterstützen und entsprechende Hilfestellung bei der Ansprache des Nachwuchses zu geben, wurde die AG Nachwuchs der BLAK gegründet. BLAK-Vizepräsidentin Franziska Scharpf stellte die Arbeit der AG der Delegiertenversammlung vor und rief auf, trotz der aktuellen Herausforderungen, die schönen und sinnstiftenden Seiten der Arbeit in öffentlichen Apotheken in den Vordergrund zu heben: „Bringen Sie auch in schwierigeren Zeiten den Spaß und die Vielfalt an unserem Beruf dem Nachwuchs nahe, um zu zeigen „Apotheke – great place to work“.“ Dies bestärkte auch die Fachschaftsvertreterin aus Würzburg, Carolina Balkheimer: „Sagen Sie uns, was Sie an dem Beruf lieben – das hören wir echt gerne!“ Balkheimer verdeutlichte noch einmal, dass die meisten Pharmaziestudierenden zumeist keine Vorstellung von der Arbeit in einer öffentlichen Apotheke haben und das im Studium auch wenig vermittelt wird. Die Nachwuchsgewinnung für die Apotheke vor Ort ist auch einer der Schwerpunkte in der gemeinsam mit dem Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit und Pflege (StMGP) geplanten Nachwuchskampagne. Scharpf bedankte sich in ihrem Vortrag daher auch nochmals explizit für die vom Ministerium hierfür zugesicherte finanzielle Förderung in Höhe von 100.000 €.