Ob in der Apotheke, der Steuerkanzlei oder der ärztlichen Praxis – freie Berufe kämpfen unabhängig von ihrem Tätigkeitsfeld aktuell mit ähnlichen Herausforderungen: zu viel Bürokratie, zu wenig Nachwuchs, zu wenig Zeit für die eigentliche Arbeit. Der Alltag wird zunehmend von Verwaltung dominiert – statt von Versorgung, Beratung oder Behandlung.
Franziska Scharpf kennt diese Realität aus mehreren Perspektiven – und setzt sich dafür ein, dass die freien Berufe gemeinsam ihre Zukunft gestalten.Im Interview spricht sie über ihre Rolle als Vizepräsidentin der Bayerischen Landesapothekerkammer, der Bundesapothekerkammer und des Verbands Freier Berufe in Bayern e.V. (VFB), über die drängendsten Herausforderungen für Apotheken – und darüber, warum berufspolitische Zusammenarbeit heute wichtiger ist denn je.
Frau Scharpf, Sie sind Vizepräsidentin der Bayerischen Landesapothekerkammer (BLAK), des Verbands Freier Berufe in Bayern e.V. (VFB) und seit Kurzem auch Vizepräsidentin der Bundesapothekerkammer (BAK). Wie profitieren Ihre Aufgaben bei der BAK und der BLAK von Ihrer Arbeit im VFB – und umgekehrt?
Die Arbeit im VFB ergänzt meine Tätigkeiten in den Apothekerkammern auf Landes- und Bundesebene auf vielfache Weise. Im Verband Freier Berufe beschäftige ich mich mit übergeordneten berufspolitischen Fragestellungen, die nicht nur uns Apothekerinnen und Apotheker betreffen, sondern alle freien Berufe gleichermaßen – etwa Nachwuchsförderung, Fachkräftemangel, wirtschaftliche Herausforderungen oder den dringend nötigen Bürokratieabbau.
Dieser Blick auf das große Ganze liefert mir wertvolle Impulse für meine Arbeit in den Kammern. Gleichzeitig bringe ich die Perspektive der Apothekerschaft in den VFB ein – und stärke so das Bewusstsein dafür, dass Vor-Ort-Apotheken weit mehr sind als Abgabestellen: Sie sind tragende Säulen unserer Gesundheitsversorgung und verdienen politischen Rückhalt, Gestaltungsspielräume und Wertschätzung.
Wo sehen Sie konkrete Schnittmengen zwischen Ihrem Engagement im VFB und Ihren Aufgaben in der Bayerischen Landesapothekerkammer und Bundesapothekerkammer?
Zentrale Themen, die alle freien Berufe betreffen – ob in der Apotheke, der Kanzlei oder der Praxis –, sind der Erhalt der Freiberuflichkeit und die Stärkung der Selbstverwaltung. Diese Prinzipien sind nicht nur identitätsstiftend, sondern auch unverzichtbar für eine unabhängige, qualitätsgesicherte Versorgung.
Im VFB arbeiten wir berufsfeldübergreifend daran, gemeinsame Herausforderungen wie den Fachkräftemangel, den zunehmenden Bürokratieaufwand oder die schleppende Digitalisierung anzugehen. Hier entstehen wertvolle Synergien: Was wir im Dialog mit anderen freien Berufen entwickeln, lässt sich oft direkt auf die Apothekerschaft übertragen – und umgekehrt.
Besonders wichtig ist mir die politische Dimension: Der VFB öffnet Türen in die Politik – und ermöglicht es, Anliegen direkt dort zu platzieren, wo Entscheidungen getroffen werden. So schaffen wir eine Brücke zwischen den Alltagsherausforderungen der freien Berufe und der politischen Realität – und machen sichtbar, welche Rahmenbedingungen es braucht, damit Freiberuflichkeit auch in Zukunft gelingt.
Sie sehen den Fachkräfte- und Nachwuchsmangel als eines der zentralen Probleme der freien Berufe. Welche politischen Maßnahmen sind notwendig, um den Fachkräftemangel zu bekämpfen und die Arbeitsbedingungen in Apotheken und anderen freien Berufen zu verbessern?
Es braucht eine stärkere politische Priorisierung der Nachwuchsförderung – angefangen bei praxisnahen, gut begleiteten Ausbildungsbedingungen bis hin zu einem leichteren Übergang in die berufliche Selbstständigkeit. Gleichzeitig ist ein echter Bürokratieabbau unerlässlich: Wer junge Menschen für einen freien Beruf begeistern will, darf sie nicht mit Formularen und Vorschriften überfordern, bevor sie überhaupt richtig starten konnten.
Auch die digitale Infrastruktur muss endlich verlässlich, sicher und alltagstauglich ausgebaut werden – denn moderne Arbeitsbedingungen sind heute für viele junge Fachkräfte ein zentrales Kriterium bei der Berufswahl.
Wichtig ist außerdem, dass wir junge Menschen frühzeitig erreichen: durch bessere Berufsorientierung an Schulen, gezielte Informationskampagnen zur Gesundheitskompetenz – und durch das Sichtbarmachen der gesellschaftlichen Relevanz freier Berufe. Denn wer sich für einen freien Beruf entscheidet, übernimmt Verantwortung – für Menschen, für Qualität, für die Zukunft.
Genauso zentral sind stabile politische Rahmenbedingungen, die die freie Berufsausübung sichern und wertschätzen – sei es durch eine angemessene Vergütung, durch mehr Gestaltungsspielraum oder durch politische Verlässlichkeit.
Wir haben keine Zeit zu verlieren.
Denn was heute für Apotheken gilt, betrifft morgen auch andere Praxen und Kanzleien. Wenn wir den Nachwuchs verlieren, verlieren wir die Zukunft der freien Berufe. Wenn wir jetzt nicht handeln, fehlen uns morgen die Köpfe und Herzen, die unsere Berufe lebendig halten.